Um die Kalkindustrie zu transformieren und klimaneutral Kalk zu produzieren, gibt es keinen universellen Ansatz, der für jedes Werk geeignet ist. Stattdessen stehen uns zahlreiche technische Möglichkeiten zur Verfügung, die gemeinsam zur Reduzierung der CO2-Emissionen beitragen. Viele dieser Minderungstechnologien sind in der konventionellen Kalkherstellung derzeit noch nicht etabliert. Daher erfordern sie zunächst Forschung, Entwicklung und erste praktische Versuche, was meist in Form von Projekten abgedeckt wird. Im Folgenden finden sich einige beispielhafte Projekte, die uns unserem Ziel, eine CO2-Senke zu schaffen, näherbringen.
Pfad 1: CO2-Vermeidung
Biomassenutzung:
Seit 2023 stellen Kalkproduzenten in Deutschland ihren Brennprozess auf Biomassebrennstoffe um, um Emissionen zu reduzieren. Dabei kommen zum Beispiel Holzpellets oder landwirtschaftliche Abfälle in bestehenden Kalköfen zum Einsatz, die zuvor an die neuen technologischen Anforderungen und das veränderte Brennverhalten angepasst werden müssen. Eine zusätzliche Herausforderung besteht in der Konkurrenz um Biomasse mit anderen Industriezweigen.
Wasserstoff (UK):
Dieses Projekt der mpa Lime, der Lhoist Group und weiteren Partnern ist bereits abgeschlossen und hat die Einsatzmöglichkeiten von Wasserstoff als Brennstoffalternative zu Erdgas in der Kalkindustrie untersucht. Ergebnisse haben gezeigt, dass eine Beimischung von weniger als 20% Wasserstoff keine nennenswerten Auswirkungen auf den Prozess hatte, Beimischungen über 20% jedoch zu großen Herausforderungen hinsichtlich Ofenbetrieb und Produktqualität geführt haben. Die Versuche wurden an einem speziellen Ofentyp durchgeführt, der in dieser Form in der deutschen Kalkindustrie nicht verwendet wird, was die Übertragbarkeit der Ergebnisse einschränkt.
Wasserstoff (DE):
Ein Aktuelles Forschungsprojekt, welches den Einsatz wasserstoffbasierter Brennstoffe (H2, NH3) in der Kalkindustrie nicht bloß technisch, sondern auch ökonomisch und ökologisch analysiert. Computergestützte Simulationen der Brennprozesse sowie eine umfassende Energiesystemanalyse und Ökobilanzierung sollen Aufschluss über die Einsatzmöglichkeiten geben. Die Studie wird voraussichtlich 2026 abgeschlossen und wird von der Ruhr-Universität Bochum gemeinsam mit dem BVK durchgeführt.
Pfad 2: CO2-Abscheidung
Everest:
Die Firma Lhoist Rheinkalk Germany GmbH plant in Zusammenarbeit mit der Air Liquide Deutschland GmbH den Bau einer kryogenen CO2-Abscheidungsanlage in Verbindung mit CO2-Speicherung. Das Projekt deckt die gesamte Produktionskette ab, beginnend mit der Umstellung auf neue Brennstoffe und dem Bau von Oxyfuel-Kalköfen bis hin zur Anwendung der Air Liquide Cryocap-Technologie. Diese Technologie ermöglicht die CO2-Abscheidung, -Konzentration, -Reinigung und -Komprimierung, gefolgt von der Verflüssigung und dem anschließenden Transport zu geologischen Speicherstätten. Das Potential zur CO2-Reduktion ist enorm und beträgt bis zu 1,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Eine endgültige Investitionsentscheidung steht noch aus.
EcoKiln Kalkofen:
Dieses innovative Ofenkonzept für Schachtöfen ermöglicht die Erzeugung von hochkonzentriertem CO2 direkt im Produktionsprozess. Laut der Firma Maerz Ofenbau AG können CO2-Qualitäten von über 95% erreicht werden. Der wesentliche Vorteil dieser Technologie liegt darin, dass die CO2-Abscheidung direkt im Ofen erfolgt, wodurch keine zusätzliche Abscheideanlage erforderlich ist. Das Prinzip basiert auf der Oxyfuel-Technologie, bei der reiner Sauerstoff anstelle von Verbrennungsluft verwendet wird. Die ersten EcoKiln Kalköfen werden voraussichtlich innerhalb der nächsten Jahre gebaut.
Butterfly:
Seit 2023 läuft das Projekt Butterfly, das den Retrofit eines bestehenden GGR-Ofens sowie den Bau einer CO₂-Abscheidungs- und Aufkonzentrationsanlage im industriellen Maßstab umfasst. Die Anlage ist im Maßstab 1:10 geplant und soll CO₂-Reinheiten von 100 % erreichen, was sowohl eine Weiterverwendung (CCU) als auch die Speicherung (CCS) des CO₂ ermöglicht. Das Projekt wird federführend von der Carmeuse S.A. durchgeführt, die bei erfolgreicher Demonstration des Verfahrens plant, die Technologie weltweit in ihren Werken zu implementieren.
Pfad 3: Karbonatisierung
EuLA Karbonatisierungsstudie:
Der Europäische Kalkverband (European Lime Association – EuLA) hat eine Literaturstudie in Auftrag gegeben, um das Karbonatisierungspotential von Kalk in verschiedenen Märkten und Anwendungen zu bewerten. Die 2020 abgeschlossene Studie ergab, dass im ersten Jahr nach der Anwendung etwa 22 % der ursprünglich freigesetzten CO2-Emissionen dauerhaft wieder eingebunden werden können. Besonders zuverlässige Daten wurden unter anderem für die Bereiche Stahl, Mörtel, Trinkwasseraufbereitung, Rauchgasreinigung, Papier und Aluminium ermittelt. Die Studie zeigt, dass in Kombination mit einer klimaneutralen Kalkproduktion die Karbonatisierung zur Erzeugung von Negativemissionen beitragen kann, da der Prozess aktiv CO2 aus der Atmosphäre bindet.
CO2ncrEAT:
Ein Konsortium bestehend aus der Prefer, der Fluxys, der Lhoist und der Orbix Gruppe hat das Projekt CO2ncrEAT ins Leben gerufen, um eine doppelte Kreislaufwirtschaft von Kalk und CO₂ zu nutzen und umweltfreundliche Mauersteine herzustellen. Im Rahmen des Projekts liefert Lhoist Kalk an die Stahlindustrie, wobei als Nebenprodukt Stahlschlacke anfällt. Diese Schlacke wird zur Herstellung der Mauersteine verwendet. Nach der Produktion werden die Mauerblöcke mit Ofenabgasen aus der Kalkindustrie begast, wodurch sie CO₂ aus dem Abgas aufnehmen und durch Karbonatisierung in Kalziumkarbonat umwandeln. Das 2023 gestartete Projekt hat zum Ziel, jährlich über 100.000 Tonnen umweltfreundlicher Mauersteine zu produzieren und dabei 20.000 Tonnen CO₂-Emissionen einzusparen.
Retake I + II:
Der BVK ist in die BMBF-Forschungsmission CDRmare sowie die Projekte Retake I + II eingebunden. Diese Projekte untersuchen, inwieweit der Ozean eine bedeutende Rolle bei der Entnahme und Speicherung von CO₂ aus der Atmosphäre spielen kann. Dabei werden auch die Auswirkungen auf die Meeresumwelt, das Erdsystem und die Gesellschaft sowie Ansätze zur Überwachung und Bilanzierung der marinen Kohlenstoffspeicherung in einer sich wandelnden Umwelt analysiert. Die Ergebnisse der CDRmare Forschungsmission sollen als Grundlage für die Langfriststrategie der Bundesregierung zu Negativemissionen (LNe) dienen, um unvermeidbare Restemissionen zu bewältigen. Die 2024 gestartete zweite Projektphase Retake II läuft noch bis 2027.