Pfad II - CO₂-Abscheidung

Pfad II ist Dreh- und Angelpunkt der klimaneutralen Kalkproduktion. Kernelement dieses Technologiepfades und unserer zukünftigen Industrie ist die CO₂-Abscheidung.

Rund 67% der Emissionen im Kalkherstellungsprozess sind unvermeidbar, da das im Kalkstein enthaltene CO₂ beim Brennprozess unweigerlich freigesetzt wird. Diese Emissionen lassen sich nicht mit den in Pfad I beschriebenen Maßnahmen vermeiden. Um die rohstoffbedingten Emissionen am Eintritt in die Atmosphäre zu hindern, müssen sie abgefangen werden. Dies geschieht mittels CO₂-Abscheideanlagen, die das CO₂ vom restlichen Abgas separieren. Für dieses technisch anspruchsvolle Unterfangen gibt es verschiedene Lösungsansätze und Technologien wie z.B. Aminwäsche oder Calcium Looping, deren effizienter Einsatz in der Kalkindustrie derzeit untersucht wird. Je nach Industrie unterscheiden sich die Gegebenheiten und Anforderungen an eine solche Technologie. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es bedingt durch die allgemeine Technologiereife und äußere Umstände, wie z.B. fehlende Infrastruktur, noch keine Abscheideanlage innerhalb der Kalkindustrie. Wie am Projekt Everest zu sehen (Seite 25), ist jedoch geplant, in den kommenden Jahren erste Anlagen zu installieren.

Während CO₂-Abscheidung 2030 noch eine etwas untergeordnete Rolle spielt, werden bis 2045 flächendeckend Abscheideanlagen in den Werken zu finden sein.
 

CCU und CCS -61%

Das abgeschiedene CO₂ kann entweder im Sinne der Kreislaufwirtschaft weiterverwendet oder gespeichert werden. Für beide Verwendungsmöglichkeiten sowie den Transport liegen hohe Qualitätsanforderungen vor. Um diesen gerecht zu werden, bedarf es neben CO₂-Abscheideanlage demensprechend auch Aufbereitungs- und Verflüssigungsanlagen im Kalkwerk. Am Ende der Prozesskette steht damit hochreines CO₂, welches für eine Vielzahl von Verwendungsmöglichkeiten geeignet ist.

Die dauerhafte Speicherung in on- oder offshore Reservoiren ist als dauerhafte CO₂-Vermeidung anzusehen. Untersuchungen zeigen, dass entsprechende Speichermöglichkeiten in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Als erprobtes Verfahren bietet die Speicherung von CO₂ die Chance, bereits zeitnah Emissionen zu vermeiden. Je früher Emissionen vermieden werden, desto größer der Beitrag zu den Klimazielen.

Die Nutzung von abgeschiedenem CO₂ für Produkte kann fossiles CO₂ ersetzen und Kohlenstoffkreisläufe schließen. Auch in einer klimaneutralen Zukunft werden wir Kohlenstoff als Eingangsstoff diverser Prozesse benötigen. Ein nachhaltiges Carbon Management hilft, diesen wertvollen Rohstoff dauerhaft im System zu halten.
Kalkwerke, die zukünftig CO₂ als verwertbares Produkt erzeugen, müssen sich intelligent mit anderen Industrien vernetzen und ihr CO₂ dahin liefern, wo Kohlenstoffbedarfe bestehen, die aktuell aus fossilen Quellen gedeckt werden.

Die Kombination aus einer CO₂-Abscheidung mit anschließender Speicherung oder Nutzung verfügt mit ihren 61% über das größte Minderungspotential der gesamten Vermeidungskette.
 

BECCS -19%

Wie im vorangegangenen Pfad I beschrieben, stellt Bioenergie den Hauptenergieträger der zukünftigen Brennprozesse dar. Bereits 2030 beträgt der Anteil von Bioenergie am Brennstoffmix etwa 43%. Bis 2045 gehen wir sogar von 61% aus. Da unsere Industrie durch unvermeidbare Emissionen aus dem Rohstoff zwangsläufig auf eine CO₂-Abscheidung angewiesen ist, verfügen wir über die perfekten Voraussetzungen, das volle Potential von BECCS auszuschöpfen. Unter BECCS versteht sich der Einsatz von Bioenergie mit anschließender Speicherung (Bioenergieeinsatz mit CO₂-Abscheidung und Speicherung). Alternativ wäre auch eine anschließende
Verwendung des CO₂ geeignet, um mittels permanenter chemischer Bindung die Emission zu vermeiden (Bioenergieeinsatz mit CO₂-Abscheidung und Nutzung).

Bei der Herstellung von Bioenergie wird atmosphärisches CO₂ gebunden. So gilt beispielsweise Biomasse als CO₂-neutral, weil Pflanzen während ihres Wachstums CO₂ aus der Atmosphäre aufnehmen und es in Form von Biomasse speichern. Durch die Verbrennung in unseren Öfen würde dieses CO₂ im Normalfall wieder freigesetzt werden. Jedoch können wir mit Hilfe unserer Abscheideanlagen nicht bloß das rohstoffbedingte CO₂ abfangen, sondern auch das CO₂ aus der Bioenergie. Somit wird CO₂ aus der Atmosphäre aufgenommen und durch die anschließende Speicherung oder langfristige chemische Bindung daran gehindert, erneut in die Atmosphäre zu gelangen. Durch den großen Anteil von Bioenergie am Brennstoffmix können wir auf diese Art und Weise 19% unserer ursprünglichen Emissionen reduzieren.

Ein solcher Einsatz von Bioenergie generiert also zum einen unsere benötigte thermische Energie und zum anderen Negativemissionen. Dieser doppelte Nutzen einer BECCS Anwendung kann durch eine entsprechende Priorisierung bei der Nutzung von Biomasse sichergestellt werden.