Pfad III - Karbonatisierung

Unser dritter Technologiepfad zur CO₂-Minderung basiert auf dem faszinierenden Prinzip der Karbonatisierung. Beim Abbau liegt Kalkstein in seiner natürlichen Form als Kalziumkarbonat (CaCO₃) vor. Durch den Brennprozess wird das chemisch gebundene CO₂ aus dem Stein gelöst, und es entsteht Kalziumoxid. Kalziumkarbonat wird also zu Kalziumoxid und CO₂ umgewandelt (CaCO₃ → CaO + CO₂). Um die chemische Bindung von CaCO₃ zu lösen, wird Hitze benötigt. Kalziumoxid (CaO) hat jedoch die Eigenschaft, auch ohne Hitze oder weiteres Zutun automatisch CO₂ aus der Umgebung wieder an sich zu binden. Dieser Prozess nennt sich Karbonatisierung.

CaO wird als Branntkalk in verschiedene Industrien geliefert und dient dort als Ausgangsstoff für weiterführende Wertschöpfungsketten und Produkte. Gelangen diese Produkte in Kontakt mit CO₂, findet die zuvor beschriebene Einbindung statt. Hierfür reicht bereits der Kontakt des Produkts mit der Umgebungsluft, da dort CO₂ enthalten ist. Wird also beispielsweise beim Bau eines Hauses Kalk verwendet, nimmt dieser Kalk im Laufe der Zeit atmosphärisches CO₂ auf. Ähnlich wie Bäume, die beim Wachstum CO₂ einbinden, führt der im Produkt enthaltene Kalk zu Negativemissionen. Bei der Karbonatisierung läuft die Kalzinierungsreaktion
rückwärts ab, also CaO + CO₂ → CaCO₃. Nach Abschluss der Karbonatisierung liegt somit wieder die chemische Ausgangsform von Kalziumcarbonat, also Kalkstein, vor.

Die Geschwindigkeit und Intensität, mit der Kalk in seiner Anwendungsphase CO₂ bindet, variieren je nach Verwendung. Im Bereich der Trinkwasseraufbereitung werden schon innerhalb weniger Sekunden 100 % des zuvor aus dem Stein gelösten CO₂ wieder eingebunden. Die EuLA Karbonatisierungsstudie aus dem Jahre 2020 hat das Karbonatisierungspotential von Kalk in seiner Anwendungsphase untersucht und herausgefunden, dass im Durchschnitt 22% der ursprünglichen CO₂-Emissionen bereits innerhalb eines Jahres wieder dauerhaft eingebunden werden. Bei Verlängerung des Betrachtungszeitraums über ein Jahr hinaus ist diese
Ratesteigt die Rate stetig an.
 

Verstärkte Karbonatisierung

Die Einbindung von CO₂ kann durch verschiedene technische Maßnahmen verstärkt werden. Dies führt dazu, dass die Karbonatisierung in ihrer Intensität gesteigert oder in ihrem Ablauf beschleunigt wird. So könnte ein Karbonatisierungsprozess, der unter natürlichen Bedingungen mehrere Jahre dauern würde, innerhalb weniger Tage ablaufen oder die Karbonatisierungsrate beispielsweise von 30% auf 40% erhöht werden. Durch die verstärkte Karbonatisierung kann also mehr CO₂ in kürzerer Zeit eingebunden werden. Dafür ist ein gezielter Eingriff in den Karbonatisierungsprozess notwendig. Beispiele dafür sind die Anpassung von Druck und Temperatur, die Veränderung der spezifischen Oberfläche oder die Begasung kalkhaltiger Produkte mit CO₂.

Die CO₂-Einbindung durch die Karbonatisierung von Kalkprodukten wird bislang nicht in CO₂-Handelssystemen anerkannt. Die durch Karbonatisierung erzeugten Negativemissionen sind jedoch von entscheidender Bedeutung für das Erreichen der Klimaziele. Besonders die Möglichkeiten, die Karbonatisierung technisch zu verstärken, sind noch nicht ausgeschöpft. Die Fähigkeit von Kalk, CO₂ aufzunehmen, eröffnet zudem vielversprechende Möglichkeiten für den Einsatz als Carbon Dioxide Removal Methode (CDR). Das Prinzip der Karbonatisierung birgt somit ein immenses Potential für weitreichende Negativemissionen.