Kalkprodukte in der Gewässerökologie
Dass Oberflächengewässer schon sauber sind, wenn sie nur klar sind, gehört zu den Vorurteilen verflossener Gewässerökologie.
Ein Ergebnis des Umdenkens in der Bestimmung von Wasserqualitäten geht von einem ganzheitlichen Ansatz aus. Er hat im neuen Wasserhaushaltsgesetz seinen Niederschlag gefunden. Verbesserte analytische Methoden betonen insbesondere die Bedeutung von Selbstreinigungskräften im mineralogischen und biologischen Gesamtsystem. Zum Beispiel ist der Indikator der Säurekapazität, der durch den Calciumkreislauf bestimmt wird, ein zentraler Faktor. Wir wollen der Frage auf den Grund gehen, warum natürliche, säureregulierende Kalkprodukte im ganzheitlichen Ansatz für die Gewässerökologie an Bedeutung gewinnen.
Neues Denken braucht das Wasser
Die Situation ist bekannt: Seit den 20er Jahren versauern die Gewässer zunehmend. Verursacher ist vielfach der Mensch. Dachte man anfangs noch, ein Gewässer sei in einem guten ökologischen Zustand, wenn es chemisch rein war, so hat sich heute die Einsicht in eine ökologische Gesamtbetrachtung durchgesetzt. Es geht um die Selbstreinigungskräfte und um die Stabilisierung eines natürlichen Gleichgewichts im Calcium- und Kohlenstoffkreislauf. Was der Mensch versauert, soll Natur nun richten. Dazu braucht sie Verständnis und eine Portion Kalk.
Das neue Wasserhaushaltsgesetz vom 19.8.2002 (WHG §25) spricht eine klare Sprache. Es nimmt die Verschlechterung des ökologischen und chemischen Zustandes nicht länger hin und es drängt auf die Verbesserung des ökologischen Potenzials auch in bewirtschafteten Gewässern. In der ganzheitlichen Sicht des Gewässerhaushaltes spielt der Calciumkreislauf eine wichtige Rolle. Denn er reguliert den Säurestatus und das Säurebindungspotential und ist eigentlich ein Patent der Natur mit großem Wahrheitsgehalt.
Schrottplatz Oberflächenwasser
Unrühmlich ist auch der exponentielle Anstieg von Spurenstoffen wie Aluminium und Schwermetallen, sie wurden meist nicht beachtet, weil sie unsichtbar sind: Das Gewässer sieht sauber aus, kann aber biologisch am toten Punkt sein. Was den Gewässern fehlt, ist ein ausreichendes Säurebindungsvermögen.
Für die Säurekapazität ist die Konzentration von Calciumhydrogencarbonat von entscheidender Bedeutung. Und hier kommt Kalk als natürlicher Balanceregler ins Spiel bzw. ins Gewässer.
Wahrhaft sauberes Wasser
Wer nach Beispielen ökotechnologischer Sanierung von Oberflächengewässern durch Kalkprodukte sucht, braucht nicht im Trüben zu fischen. Folgende vier Verfahren seien hier kurz dargestellt:
1. Induzierte Calcitfällung
Die künstliche Intensivierung des Selbstreinigungsprozesses begrenzt nährstoffbelasteter, kalkreicher Seen erreicht man auf natürlichem Wege: Gelöschter Kalk (Ca(OH)2) wird dem Tiefenwasser unter Belüftung zugeführt. Alles andere geht wie von selbst: Der See atmet auf, Phosphor wird abgebunden und Calcit schützt den Seegrund. Das Algenwachstum wird reduziert und leistungsfähige Organismen beginnen das Wasser zu filtern.
2. pH-Wert-Korrektur
Dieses Verfahren wird bei kalkarmen, versauerten Seen angewandt und arbeitet über den Eintrag von Kalkstein (CaCO3) entweder direkt oder im Bypass mittels spezieller Kalkkörnungen. Sie erhöhen den Säurepuffer und stabilisieren den pH-Wert.
3. Säurekapazitätsergänzung
Die biologische Abwasserreinigung in geschlossenen Aquakulturen schont die kostbaren Wasserressourcen. Der Einsatz von Calciumhydroxid ist hier sinnvoll. Säurekapazität, pH-Wert und freie Kohlensäure werden organismenfreundlich eingestellt.
4. Stabilisierung von Belebtschlammbiozönosen
Unser letztes Verfahrensbeispiel widmet sich der modernen Klärtechnik, die den Eintrag von Stickstoff und Phosphor in die Gewässer reduziert. Schwachlastbakterien entwickeln sich nämlich gut in modernen Kläranlagen, die nur eine geringe Säurekapazität aufweisen. Dadurch wird das Schlammvolumen unverhältnismäßig erhöht und behindert die Trennung des biologisch gereinigten Abwassers vom Belebtschlamm. Der Säurekapazitätsverlust durch die Nitrifikation sowie die Erhöhung der Kohlensäurekonzentration führen zu weiteren Schwierigkeiten: Das Abwasser wird zunehmend kalkaggressiv. Die Schäden an wasserführenden Bauwerken nehmen zu.
Vom Teil zum Ganzen
Das neu gewonnene Verständnis für den Calcium- und Kohlenstoffkreislauf ist ein Grundstein für den Erhalt der Biodiversität unseres Planeten. Kalk als natürlicher Rohstoff stabilisiert die Qualität der Oberflächengewässer auch im Hinblick auf die zukünftige Ausweitung von Aquakulturen zur Deckung des weltweiten Eiweißbedarfs. Eine lokale Anwendung von Calciumhydroxid hilft der Natur auf die Sprünge und schont die natürlichen Fischbestände in den Weltmeeren.
Die wahre Natur
Puffersysteme in Kläranlagen sowie in natürlichen Gewässern können durch Justierung der Carbonathärte reguliert werden. Die Nutzung neuer Ökotechnologien verbessern und stabilisieren die gesamtheitlichen Systembedingungen der Nutzungskreisläufe des Wassers und kommen somit dem gesetzlichen Grundsatz der positiven Veränderung des ökologischen und chemischen Zustands oberirdischer Gewässer entgegen. Neues Denken und die Angleichung neuer Verfahren an die Ideen der Natur sind erste Voraussetzung zur Unterstützung der natürlichen Kreisläufe. Wenn wir Ihnen noch weitere Argumente zur Klärung geben können, dann sprechen Sie uns an.